Wald
Verfasst von Martin Lee
Einst war die wirtschaftliche Bedeutung eines eigenen Waldbesitzes für die Gemeinde Marthalen enorm. Der Wald lieferte Stammholz für den Häuserbau und für die Herstellung von Geräten und Gefässen, Brennholz für das Kochen und Heizen, Streue und Laub für die Viehhaltung und diente dazu noch als Viehweide. Mit der zunehmenden Industrialisierung und vor allem mit dem Ausbau der Verkehrswege verlor der Wald mehr und mehr an wirtschaftlicher Bedeutung. Dennoch sind die wirtschaftlichen Leistungen unseres Gemeindewaldes enorm. Der jährliche Hiebsatz ist zur Zeit auf 3'300 m3 Stehendmass festgelegt, was eine Holzernte von ca. 1'700 m3 Stammholz, 550 m3 Industrieholz und 750 m3 Brennholz ergibt. Erfreulicherweise werden auch heute noch vom anfallenden Astmaterial jährlich rund 15 000 Wellen hergestellt und in den einheimischen Kachelöfen verbrannt. Ueber die zentrale Holzschnitzelheizung im Primarschulhaus beziehen das Primar- und Oberstufenschulhaus sowie das Altersheim ihren Wärmebedarf und verbrennen je nach Winter und Schnitzelqualität jährlich rund 1700 bis 1800 m3 Holzschnitzel aus den umliegenden Wäldern. Dank dieser Anlage kann sonst nur schlecht absetzbares Schwachholz sinnvoll verwertet werden.
Die Bewirtschaftung des Gemeindewaldes erfolgt auf Grund eines Wirtschaftsplanes, der in der Regel alle zehn Jahre überarbeitet und aktualisiert wird. Durch Kluppen der einzelnen Bäume wird der genaue Holzvorrat sowie der zu erwartende, jährliche Zuwachs errechnet. Erst wenn diese Zahlen bekannt sind, kann wieder für die nächsten zehn Jahre der gültige Hiebsatz festgelegt werden. Die Festsetzung des Wirtschaftsplanes obliegt der kantonalen Volkswirtschaftsdirektion.
Die Gemeinde Marthalen besitzt rund 450 ha eigenen Wald. Dazu kommen noch 90 ha Privatwald. Insgesamt sind damit gegen vierzig Prozent des Gemeindegebietes bewaldet. Mit der Waldzusammenlegung gelang es, die Zahl der privaten Waldparzellen beträchtlich zu verringern und damit die Bewirtschaftung der einzelnen Parzellen deutlich zu verbessern.
Abist und Buchberg bilden die Schwerpunkte der weitherum bekannten "Marthlemer Ache". Dem Namen entsprechend treffen wir im Buchberg aber auch mächtig gewachsene Buchen an. Die Laub- und Nadelholzarten sind heute in unseren Waldungen zu gleichen Teilen vertreten. Die häufigsten Baumarten sind: Rottannen 31 %, Eichen 27 %, Föhren 17 % und Buchen 9 %. Die unter "Verschiedene Laubbäume" zusammengezogenen Baumarten erreichen noch 10 % und umfassen Hagebuchen, Linden, Kirschbäume, Schwarzerlen, Spitzahorne, Feldahorne, Eschen, Ulmen und Nussbäume.
Ungewöhnlich jedoch lokaltypisch ist, dass bei der letzten Kluppierung 44 Stämme der Stufe 25 (Durchmesser auf Brusthöhe grösser als 112 cm) angehörten, vorwiegend Eichen, einige Buchen und Rottannen im Abist, Hard und in den Rütenen.
Verschiedene orkanartige Stürme haben im letzten Vierteljahrhundert dem Wald mehrmals arg zugesetzt. Bereits in den Jahren 1965 und 1966 waren namhafte Sturmschäden zu registrieren. Im ersten Quartal des Jahres 1967 verminderte sich dann innert 3 Wochen die Zahl der Rottannen um mehr als einen Drittel und der Föhren gar um mehr als die Hälfte. Ein erster Orkan brauste am 23. Februar 1967 während einer halben Stunde mit Spitzengeschwindigkeit über das Gemeindegebiet und verursachte diverse Einbrüche in den bereits vom Vorjahre angeschlagenen Bestockungen. Fünf Tage später, am 28. Februar, dauerten den ganzen Tag über stürmische und böige Winde an. Auch wenn diese Winde äusserlich nur wenige Spuren hinterliessen, lockerten sie doch zweifellos das Wurzelwerk zahlloser Stämme, da die Böden durch die häufigen Niederschläge in den vorangegangenen Tagen stark durchnässt waren. Der nächtliche Orkan vom 13. März brachte dann das endgültige Debakel. Kurz nach Mitternacht brauste von Westen her ein Orkan mit Böenspitzen von 150 km/h heran und schlug alle Rekorde an Dauer und Stärke. Am Morgen bot sich dem Besucher ein grauenhaftes Bild der Zerstörung. Im Luterholz und im Neuhölzli gähnten riesige südwestlich-nordöstlich verlaufende Schneisen, in denen das geworfene und gebrochene Holz in unvorstellbarem Chaos auftürmte. Auf einer Fläche von 143 ha hatte der Wind innert Kürze rund 22'000 m3 Holz gefällt, was damals einer zwölffachen Jahresnutzung entsprach, und in den stehen gebliebenen Restbestockungen unzählige gestossene und beschädigte Stämme zurückgelassen, die in den folgenden Jahren zu einem hohen Anfall an Zwangsnutzungen führten. Der entstandene Gesamtschaden für die Gemeinde wurde auf annähernd 1,5 Mio Franken geschätzt.
Das unbeschreibliche Durcheinander des geworfenen Holzes stellte beim Aufrüsten hohe Anforderungen an das Forstpersonal. Dank zusätzlichen Arbeitskräften konnte das Windfallholz bis zum Frühling 1968 aufgerüstet und den Verbrauchern zugeführt werden. Die Wiederaufforstung der Sturmflächen musste sich vollständig auf Pflanzungen abstützen. Begünstigt durch den schlagartigen Lichteinfall griff die Verunkrautung der Sturmflächen, namentlich Beerensträucher und Gräser, mit erstaunlicher Geschwindigkeit und Ueppigkeit um sich und verhinderte ein auch nur teilweises Aufkommen von Naturverjüngung. Gegen vierhunderttausend Pflanzen wurden nach dem Abräumen in den Schadenflächen eingebracht.
Eine weitere Unwetterkatastrophe hat am 15. August 1982 Teile unserer Waldungen gestreift und in unserer Region, vor allem im Thurtal, verheerende Schäden angerichtet. Diesmal waren die Windfallflächen in unserem Wald jedoch kleiner, so dass die betroffenen Gebiete mittels Naturverjüngung saniert werden konnten.
Heute haben die damaligen Windfallflächen bereits einen schönen Bestand erreicht und lassen für die Zukunft einiges erhoffen. Die nötige Jungwuchs- und Dickungspflege ist jedoch zeit- und personalintensiv, ohne dass den Aufwendungen bereits entsprechende Erträge gegenüber stehen. Auch die in den letzten Jahren gedrückten Holzpreise hinterlassen Spuren in der Forstrechnung. Nachdem der Forstbetrieb über Jahrzehnte Gewinne erwirtschaften konnte, müssen nun seit kurzem rote Zahlen geschrieben werden. Ohne markante Verbesserung des wirtschaftlichen Umfeldes kann in absehbarer Zeit nicht mit einer Trendwende gerechnet werden.
Das Waldgebiet zwischen Marthalen, Ellikon und Rheinau wird immer mehr zu einem Erholungsgebiet von überregionaler Bedeutung. Die reichlich vorkommenden Mittelwälder mit ihren naturnahen Baumartenmischungen und das häufige Auftreten von malerischen Baumgestalten präsentieren hier in buntem Wechsel herrliche Waldbilder.
Ihr Zusammenklang mit den nahen, wohl schönsten Flusslandschaften der Schweiz übt einen zunehmenden Anreiz für die Frequentierung dieses grossräumigen Erholungsgebietes in geringer Entfernung dicht bevölkerter Siedlungsgebiete aus.
Noch gewichtiger als der Erholungswert dieses Gebietes ist die durch Versuchsbohrungen nachgewiesene Möglichkeit der Gewinnung grosser Mengen vorzüglichen Trinkwassers.
Das Gebiet Niederholz wird als eines der grössten Grundwassergebiete des Landes qualifiziert. Von ausserordentlich hohem Wert für die Wassergüte sind die bis 45 m mächtigen Niederterrassenschotter und die darauf stockende Waldvegetation.